Berlin-Mitte
Mo. 10.01.2011, 18:00 bis 20:00
Vortrag
Horthy und die politische Elite Ungarns
Der ungarische Historiker Dr. Levente Püski untersucht das System des Horthy-Regimes im Ungarn der Zwischenkriegszeit
Seminarraum III (3. Etage), Collegium Hungaricum
Dorotheenstr. 12
10117 Berlin-Mitte
Berlin Brandenburg
Beschreibung:
Der als Spezialist für den Niedergang des ungarischen Adels bekannt gewordene Historiker Dr. Levente Püski, Dozent am Institut für Geschichte an der Universität Debrecen, entwickelt auf der Grundlage seiner 2006 - nur auf ungarisch - erschienenen Monographie "Das Horthy-System" (A Horthy-rendszer) seinen von Lichtbildern begleiteten Vortrag vor folgendem historischen Hintergrund: Am 1. März 1920 wählte die ungarische Nationalversammlung Admiral Miklós Horthy zum Reichsverweser und damit zum Staatsoberhaupt des mit seiner Wahl wieder als Königreich ausgewiesenen Ungarns, nachdem der österreichisch-ungarische Doppelmonarch Karl als österreichischer Kaiser Karl I. am 11. November 1918 und als ungarischer König Karl IV. am 13. November 1918 auf die Ausübung der Staatsgeschäfte verzichtet hatte (nach seiner Auffassung konnte ein 'Monarch von Gottes Gnaden' nicht zurücktreten) und die kurzlebige ungarische Räterepublik (21.03.-01.08.1919) ebenso gescheitert war, wie es die zwei späteren Versuche König Karls 1921 waren, in seiner Person Ungarns Monarchie neu zu begründen und die Reichsverweserschaft seinem vom Gefolgsmann zum Kontrahenten gewordenen Horthy, der inzwischen an den fast königlichen Befugnissen größten Gefallen hatte, zu entwinden (Karls zweiter Restaurationsversuch endete mit seiner kurzen Internierung und der anschließenden Deportation ins Exil auf Madeira). Dass diese und die weitere Entwicklung nicht ohne die Interventionen des ungarischen Adels zu sehen ist, dessen Kampf um Macht und Pfründe, wird Dr. Püski ebenso darstellen, wie er das rechtliche und machtpolitische Verhältnis des Reichsverwesers zum ungarischen Parlament untersucht.
Tatsächlich gelang es Horthy, der anfangs nach seiner Wahl im Kreuzfeuer der Kritik stand, sich am Ende der 1920er Jahre zu einer Integrationsfigur zu entwickeln. Anfang der 1930er Jahre begannen allerdings die verschiedenen konservativen und rechtsextremen politischen Gruppen, ihn immer mehr in die politischen Auseinandersetzungen hineinzuziehen und um seine politische Gunst zu buhlen und daraus ihre Legitimierung abzuleiten. Diesen Ansinnen erteilte Horthy eine Absage - vorsichtig, aber doch eindeutig. Wenn es Horthy während der folgenden zehn Jahre gelang, Ungarn durch die weitere Zwischenkriegszeit zu lavieren und mit den beiden von Hitler diktierten Wiener Schiedssprüchen (1938 und 1940) territoriale Gewinne zu Lasten der Nachbarländer zu erreichen und damit zum eigenen innenpolitischen Nutzen die vom Trianon-Vertrag auferlegten Gebietsverluste teilweise zu kompensieren, so geriet er damit zugleich in immer größere Abhängigkeit vom Deutschen Reich und dessen Politik. Seine Versuche, sich dem zu entziehen, scheiterten, weil Hitler sie als Bestätigung dafür sah, dass Ungarn zu einem unzuverlässigen Verbündeten wurde.
Hitlers Antwort war die Besetzung Ungarns am 19. März 1944 (dieses Datum steht zugleich für den Beginn des ungarischen Holocausts). Der letzte Versuch Horthys, mit einem am 15. Oktober 1944 einseitig ausgerufenen Waffenstillstand das Blatt zu wenden, endete mit dem ihm noch am selben Tage von der deutschen Besatzung und den Pfeilkreuzlern abgenötigten Widerruf seiner Proklamation und seiner unverzüglich folgenden Deportation nach Süddeutschland. Damit war die militärische Niederlage Ungarns besiegelt (wenn auch die letzten reichsdeutschen Soldaten erst am 4. April 1945 ungarischen Boden verließen), und die als Zwischenkriegszeit begonnene Periode, die schließlich über 24 Jahre reichte und fast ausschließlich von der Person des Reichsverwesers geprägt worden war, fand ihr Ende. Sie wird als Horthy-Zeit oder Horthy-System erinnert - und ist ein weiterer Beitrag im Rahmen der Berliner Vortragsreihe der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft e. V. (DUG/Berlin) über "Ungarn in der Zwischenkriegszeit".
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