HAMBURG
Mo. 17.06.2013, 15:00 bis 19:00
Vortrag
Das Bild vom "Bollwerk der Christenheit" in Ostmitteleuropa von den Türkenkriegen bis zum jugoslawischen Bürgerkrieg: vom Topos zum Mythos
PD. Dr. Spannenberger beleuchtet den Wandel in der Selbstwahrnehmung der ostmitteleuropäischen Völker
Fogelius-Saal (Vortragssaal, 1. Obergeschoss, Raum 110) im Institut für Finnougristik / Uralistik
Johnsallee 35
20148 HAMBURG
Hamburg
Beschreibung:
Der von Lichtbildprojektionen begleitete Vortrag wird sich mit der Entwicklung des Ehrentitels "antemurale Christianitatis" (Vormauer, auch: Bollwerk der [westlich-römischen] Christenheit) befassen, der im Spätmittelalter vom Heiligen Stuhl als Ansporn im Kampf gegen die aus Ost- und Südosteuropa gen Westen vordringenden Reiterhorden und Heere oder als Belohnung für auf dem eigenen Territorium errungenen Siege gegen die Ungläubigen verliehen wurde. Ihm lag das aus dem Festungsbau abgeleitete Bild vom Bollwerk oder auch vom Glacis zugrunde. Der Begriff wurde rasch in den diplomatischen Alltag übernommen, des ursprünglich christlichen Inhalts entkleidet und zur Verfolgung eigener Machtansprüche gegenüber anderen Staaten eingesetzt, wie ihn alsbald – selbst nicht römisch-katholische – Bevölkerungsgruppen zur eigenen Identitätsstiftung nutzten.
Die Profanisierung des Begriffes erfuhr im Zeitalter der Romantik unterschiedliche Bedeutungsinhalte je nach den eigenen Interessen und entwickelte sich zu einem Mythos der modernen Nationalideologien: statt katholisch-christliches Bollwerk nun die Wertegemeinschaft "Mittel- und Westeuropa" bzw. "westeuropäische Kultur", mit der Katholiken und Protestanten die Trennlinie zur Orthodoxie im östlichen Mitteleuropa festigten (obwohl das Bild vom Bollwerk auch die Serben und Rumänen in ihrem Kampf gegen die Osmanen bnutzten). Diese "Selbstadelung", Schutzschild gegen Gefahren aus dem Osten zu sein, nahm die jeweilige intellektuelle Elite – vor allem in ihrer Geschichtsschreibung – vor und rückte so das eigene Land ideell nach Westen, indem es sich zu einem Teil der zu verteidigenden "mittel- und westeuropäischen Wertegemeinschaft" machte. Eine gegen den Westen gerichtete Bedeutung erfuhr der Begriff im Serbien des Jugoslawienkrieges.
ZUR PERSON DES REFERENTEN: PD Dr. Norbert Spannenberger (geb. 1969 in Pécs/Fünfkirchen) wurde nach seinem Studium der Geschichtswissenschaften an der Universität München promoviert. Seit 2010 arbeitet er als Historiker am Lehrstuhl für Ost- und Südosteuropa im Historischen Seminar am Geisteswissenschaftlichen Zentrum der Universität Leipzig. Dort habilitierte er sich Ende 2011 mit einem die deutschen Siedler in Südtransdanubien betreffenden Thema und nimmt Lehrtätigkeiten an den Universität in Leipzig, Bern und Pécs/Fünfkirchen wahr. Er hat mehrere Monographien veröffentlicht (u.a. mit Gerhard Seewann über die Akten des Volksgerichtshofprozesses gegen [Volksgruppenführer] Franz A. Basch; ferner zu verschiedenen Aspekten der Volksbundes der Deutschen in Ungarn und zur Zwischenkriegszeit; schließlich zur Ansiedlungsgeschichte der Deutschen im Ungarn der Habsburger Zeit). Dr. Spannenberger ist Vizepräsident der DUG mit vorrangiger Zuständigkeit für die Bereiche Geschichte und Politik.
Es handelt sich um eine Gemeinschaftsveranstaltung der Berliner DUG und des Instituts für Finnougristik/Uralistik an der Universität Hamburg.
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