Berlin-Mitte (Nikolaiviertel)
Do. 11.04.2013, 17:30 bis 20:00
Vortrag
Habsburg und Siebenbürgen zwischen 1600 und 1605
Vortrag des Historikers Dr. Meinolf ARENS über gescheiterte Bemühungen um die Integration Siebenbürgens in die frühneuzeitliche Habsburgermonarchie
Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus
Nikolaikirchplatz 5-7
10178 Berlin-Mitte (Nikolaiviertel)
Berlin Brandenburg
Beschreibung:
In seinem Vortrag wird sich der Historiker Dr. Meinolf ARENS (Wien - München) mit der Situation zwischen dem Fürstentum Siebenbürgen und dem Habsburgerreich nach der Vertreibung der Osmanen aus Südungarn und aus Siebenbürgen und nach dem Frieden von Karlowitz (1699) befassen. Denn während Ungarn als habsburgische Kriegsbeute und Kompensation für die Verluste in den Kämpfen gegen die Osmanen annektiert wurde, gelang es Siebenbürgen, seine Sonderstellung zu erhalten (zumindest durch Unterstellung des Landes unter einen von Wien ernannten Gubernator und damit durch Vermeidung einer Angliederung an Ungarn bis zum Verlust seiner 700 Jahre währenden Autonomie durch die Union mit Ungarn 1866). Das in dieser Sonderrolle zum Ausdruck kommende siebenbürgische Selbstverständnis sollte alsbald in den großen ständischen Bewegungen des 17. Jahrhunderts Bedeutung erlangen, denn der Ausgangspunkt dieser Bewegungen lag auch in Siebenbürgen, und sie wurden so wirkmächtig, dass sie das Habsburgerreich zweitweise in seinen Grundfesten erschütterte.
Tatsächlich war wohl keine andere Region im Europa der damaligen Zeit in einer solchen gleichzeitigen, nationalstaatlichen Ideen zuwiderlaufenden Gemengelage von Ethnien, Religionen, vielschichtigen Herrschaftssystemen sowie (auch Regionalgrenzen überschreitenden) politischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen gefangen wie die der Siebenbürger, Ungarn und Habsburger – als da im einzelnen sind: das Verhältnis der ständischen nationes in Siebenbürgen zum Wiener Hof; die konfessionelle Spaltung durch die Reformation und der versuchte "roll-back" zur Wiedereinrichtung des katholischen Primats; die größtenteils wirtschaftliche und gesellschaftliche Rückständigkeit unter dem Adelsdiktat und ihre Überwindung durch Kolonisation (mit der Folge einer sich multiethnisch auffächernden Gesellschaft) und ein vom Wiener Hof ausgehenden Modernisierungsoktroi; die meist übersehenen Verbindungslinien zu strukturell verwandten ostmitteleuropäischen Ständegesellschaften; die Herausforderungen, die es unter sicherheitspolitischen (militärischen) Erwägungen und auf Grund von Eingliederungen kleiner Territorien in größere Herrschaftsverbände und Reiche gab; und schließlich die sich innerhalb des ostmitteleuropäischen Raumes wechselseitig und mit nicht vorhersehbaren Ergebnissen beeinflussenden verschiedenen Kulturen.
In den jeweiligen national ausgerichteten Geschichtsschreibungen, mit und in denen jene Zeit zum höheren Ruhm der eigenen Nation vereinnahmt und oftmals verfälscht wurde, fand unter dem Diktat der Nationalstaatsidee eher eine mythische Verklärung denn eine historisch akkurate Bestandsaufnahme statt, geschweige, dass eine über den Tellerrand des eigenen Nationalstaats hinausgehende Auseinandersetzung mit den Auffassungen der übrigen Beteiligten versucht wurde. Entwicklungslinien und Handlungsstränge wurzelten und wurzeln allein in der eigenen Nation, sie und ihre Angehörigen sind die geschichtlich treibenden, nie eigenen Egoismen, sondern nur den diffusen Zielen der "Nation" untergeordeneten Kräfte, Nationsfremde werden nur im Konfliktfall zur Kenntnis genommen. Der Vortrag wird es unternehmen, diese größeren Linien in ihren Zusammenhängen und Entwicklungen aufzuzeigen und das überkommene, meist sehr einseitige Bild der Beziehungen zwischen Habsburg und Siebenbürgen facettenreicher zu gestalten.
Anmeldung nicht erforderlich.
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